Brustgeschirr oder Halsband

Veröffentlicht von Petra Frey am


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Brustgeschirr oder Halsband

Was ist besser – Brustgeschirr oder Halsband? Lernt ein Welpe auch am Brustgeschirr locker an der Leine zu gehen? Kann man einen Hund am Brustgeschirr überhaupt ordentlich führen? Und gibt es möglicherweise gesundheitliche Aspekte, die für das eine oder andere Equipment sprechen?

Viele Hundehalter fragen sich ob sie ihren Hund am Geschirr oder am Halsband führen sollen. Und kaum ein Thema wird unter Hundehaltern so heiß diskutiert wie diese Frage. Was also sind eigentlich die Vor- und Nachteile des jeweiligen Equipments?

Brustgeschirr oder Halsband?  

1. Der Druckpunkt:

DAS Argument für ein Brustgeschirr und vermutlich der Grund, warum immer mehr Hunde am Brustgeschirr geführt werden, ist, dass die Kräfte bei Zugwirkung auf das Brustgeschirr wesentlich großflächiger verteilt werden als beim Halsband. Die physikalischen Kräfte wirken auf mehrere Punkte verteilt und es wird dementsprechend jeweils weniger Druck ausgeübt. Noch dazu wird der Druck weg von der empfindlichen Halsregion genommen hin zu wesentlich robusteren Stellen. Das gleiche Prinzip gilt bei uns Menschen übrigens auch: Wir schnallen uns im Auto schließlich auch nicht am Hals an sondern der Gurt verläuft über den Brustkorb.

Beim Halsband hingegen wirken die Kräfte nur auf einem relativ kleinen Bereich, nämlich die vordere Halsregion. Kommt es zur Krafteinwirkung (z.B. weil der Welpe in die Leine springt oder der Mensch den Hund an der Leine aus einer Gefahrenzone zieht), wird Druck auf die sensibelste Region des Halses ausgeübt. Der Zug am Halsband ist also definitiv unangenehmer für den Hund als am Brustgeschirr.

Hund mit Brustgeschirr oder Halsband
Halsband vs. Brustgeschirr beim Hund: Druck wird beim Geschirr besser verteilt. Grafik: Welpenkanal/freepik.com

2. Gesundheitlicher Aspekt

Das führen am Halsband kann aber nicht nur unangenehmer sein, sondern durchaus auch Folgen für die Gesundheit des Hundes haben:

Mehrmaliger Zug oder dauerhaftes Leineziehen kann hier zu Schäden an der Luftröhre sowie dem Kehlkopf führen.

Außerdem spannt die Halsmuskulatur bei jedem Ruck an der Leine automatisch an, um den Druck auszugleichen – und das kann dann in weiterer Folge zu einem verspannten Nacken führen. Wer schon einmal Nackenschmerzen hatte, kann vermutlich nachvollziehen, wie unangenehm das sein kann.

Was hier außerdem zu bedenken ist: Je länger die Leine ist, desto mehr Anlauf kann der Hund nehmen und desto mehr Geschwindigkeit kann er aufbauen. Dementsprechend stark ist dann der Ruck wenn der Hund in die Leine rennt. Ich rate deswegen dringend davon ab, einen Hund am Halsband zu führen wenn die Leine länger als 2 Meter ist.

Ja aber der Hund SOLL doch gar nicht an der Leine ziehen!

Ein Teil der Welpenerziehung ist natürlich das Erlernen der Leinenführigkeit. Und daran sollte unbedingt gearbeitet werden! Ziel ist also nicht, den Welpen einfach am Brustgeschirr ziehen zu lassen und sich zu denken, dass das kein Problem wäre. Gerade in der Welpenerziehung sollte man jedoch bedenken, dass der Welpe erst lernen muss, an lockerer Leine zu gehen UND, dass es eben ein Welpe ist, der die Welt erst entdeckt. Da passiert es eben schnell, dass der Kleine voller Lebensfreude in die Leine hüpft oder weil er gerade etwas spannend fand. Und gerade Welpen muss man immer wieder mal stoppen und sicher aus Situationen führen.

Selbst bei einem erwachsenen Hund kann es immer wieder passieren, dass der Hund selbst wenn er schon gut trainiert ist, erschrickt und in die Leine hüpft, oder es taucht eine unerwartete Situation auf und ihr müsst euren Hund ruckartig stoppen oder aus einer Situation führen. Und da hat ist das Geschirr ganz klar die sicherere Wahl.

3. Risiko von Fehlverknüpfungen

Gerade bei Welpen sollten wir folgendes berücksichtigen: Hunde lernen unter anderem durch Assoziationen. Also das, was sie gerade fühlen, verknüpfen sie mit dem, was sie wahrnehmen. Ziel einer guten Welpensozialisierung ist, dass der Welpe viele positive Erfahrungen mit der Umwelt sammelt.

Wenn der Welpe oder auch ein erwachsener Hund in die Leine hüpft wenn er beispielsweise andere Hunde sieht, dann sollte er dabei keine unangenehme Erfahrung durch den Leinenruck machen, ansonsten riskieren wir, dass der Welpe unangenehme Rucks mit anderen Hunden verbindet. Schlimmstenfalls entwickelt er dadurch ein Aggressionsproblem. Am Brustgeschirr ist so ein ungewollter Ruck wesentlich angenehmer für den Welpen und dadurch das Risiko einer solchen Fehlverknüpfung minimiert. Ein Ruck oder Zug am Halsband hingegen ist unangenehm und schnürt dem Hund die Luft ab.

Hundebegegnung mit Brustgeschirr und Halsband
Hundebegegnungen können am Brustgeschirr angenehmer und entspannter ablaufen als mit Halsband.

4. Passform

Die Vorteile des Brustgeschirrs sind nur gegeben wenn es gut sitzt. Deswegen muss man beim Geschirr etwas genauer hinsehen als beim Halsband. Je nachdem was für eine Körperform euer Hund hat, ist es nicht immer so einfach, ein passendes Brustgeschirr zu finden. Insbesondere bei sehr kleinen Welpen habe ich die Erfahrung gemacht, dass im normalen Handel kaum passende Geschirre erhältlich sind. Achtet darauf, dass das Geschirr wirklich optimal sitzt. Wenn es nämlich ungünstig sitzt, kann das den Bewegungsapparat des Hundes einschränken oder den Hund gar wundreiben.

Idealerweise besorgt ihr euch ein größenverstellbares, das mit dem Welpen mitwächst. Vergesst nicht, es regelmäßig zu verstellen und gegebenenfalls auch auszutauschen!

Wovon ich tendentiell abraten würde sind die sogenannten Norwegergeschirre. Das sind jene Geschirre, die meist einen Sattel hinten drauf haben (oft auch mit witzigen Sprüchen zum Ankleben auf den Seiten). Bei dieser Art Geschirr verlaufen die Gurte nämlich quer über die Schultern, blockieren so die Schulterbewegung und können zu einem unnatürlichen Bewegungsablauf führen.

Brustgeschirr oder Halsband: Ein Brustgeschirr muss gut sitzen.
Gutes Standardmodell eines Brustgeschirrs. Foto: Dino Rekanović

Oben seht ihr ein gutes Standardmodell eines Brustgeschirrs, das man so mittlerweile überall in Handel bekommt. Die Gurte verlaufen über der Schulter, so dass diese nicht eingeschränkt wird in der Bewegung. Beim Brustkorb solltet ihr außerdem darauf achten, dass der Gurt nicht unter den Achseln reibt und auch nicht zu weit hinten sitzt, so dass der Gurt in der sensiblen Buchregion sitzt.

Brustgeschirr mit Polsterung
Brustgeschirr mit zusätzlicher Polsterung.

Es gibt auch Geschirre mit zusätzlicher Polsterung wie jenes dieser Hündin (von anny-x) aus meinem Video.

5. Das Anlegen

Ein weiterer Punkt, der gerade bei Welpen zu Beginn berücksichtig werden muss, ist das Anziehen.

Für das Anziehen eines Brustgeschirrs braucht ihr erstens etwas mehr Zeit und zweitens muss man es mit dem Welpen erstmal üben. Idealerweise haben das schon Züchter oder Tierheim für euch erledigt, dann habt ihr kaum Arbeit damit. Falls das nicht der Fall ist, kann es sein, dass ihr euren Welpen erst daran gewöhnen müsst. Bei manchen Welpen ist das kein Thema und sie schlüpfen euch recht schnell von selber rein. Andere Welpen sind da aber sensibler und müssen schrittweise an das Anziehen und Tragen des Brustgeschirrs herangeführt werden.

Das Halsband ist recht einfach und schnell anzuziehen und die meisten Welpen haben damit kaum Probleme. Insbesondere kann man das Halsband nach dem Spaziergang auch oben lassen, und die wenigsten Welpen stört das. Gerade beim Thema Stubenreinheit ist das ein Argument, warum ich empfehle, immer ein Halsband oben zu haben, damit, wenn es mal schnell gehen muss, ihr den Welpen einfach schnappen könnt und keine Zeit mit Brustgeschirr anziehen verliert.

Fazit: Brustgeschirr oder Halsband?

Generell ist meine Empfehlung zu diesem Thema folgende: Hunde allen Alters sollten nur am Halsband geführt werden, wenn sie gelernt haben, an lockerer Leine zu gehen. Nachdem das bei Welpen nicht der Fall ist, rate ich jedem Welpenbesitzer zu einem gut sitzenden Brustgeschirr sobald er an der Leine hängt. Euer Welpe wird sicherlich das ein oder andere mal in die Leine hüpfen. Und auch ihr müsst erst lernen, mit der Leine umzugehen. Schließlich sollten auch wir nie an der Leine ziehen!

Solange euer Welpe noch nicht an das Brustgeschirr gewöhnt wurde, und bevor ihr euren Welpen da hineinzwingt, empfehle ich, vorübergehend ein weiches, breites Halsband zu verwenden, aber schnellstmöglich das Brustgeschirr anzugewöhnen. 

Mythen rund um Brustgeschirr oder Halsband

Zu guter Letzt möchte ich noch auf zwei Mythen eingehen, die ich zum Thema Brustgeschirr oder Halsband immer wieder höre, nämlich:

Mythos Nummer 1:

Ein Brustgeschirr würde den Welpen im Wachstum bremsen, gar zu einem deformierten Brustkorb führen oder ihn in sonstiger Form schädigen.

Nachdem ja, wenn Zug ausgeübt wird, dieser auf wesentlich mehr Druckpunkte verteilt wird, ist beim Brustgeschirr prinzipiell von einem geringeren gesundheitsgefährdendem Potential als beim Halsband auszugehen. Voraussetzung dafür ist, dass das Geschirr gut sitzt, den Hund nirgends einengt, nicht seine Bewegung blockiert oder reibt. Achtet darauf und kauft eurem Welpen früh genug ein neues Geschirr wenn er aus dem Alten herauswächst.

Mythos Nummer 2:

Hunde würden am Brustgeschirr mehr ziehen.

Hunde ziehen weder am Halsband noch am Brustgeschirr von Natur aus mehr. Und natürlich kann ein Hund genauso gut am Brustgeschirr wie am Halsband lernen, an lockerer Leine zu gehen. Ob ein Hund an der Leine zieht oder nicht, hängt von vielen Faktoren ab. Unter anderem davon, ob er gelernt hat, dass er durch Ziehen schneller von A nach B kommt. Wenn der Hund dabei ein Brustgeschirr trug, hat er am Brustgeschirr ziehen gelernt. Dasselbe gilt aber natürlich auch umgekehrt, wenn der Welpe am Halsband ziehen gelernt hat, wird er auch am Halsband dementsprechendes Verhalten zeigen.

Manche Trainer nutzen das Halsband, um dem Hund mittels Leinenrucks beizubringen, nicht an der Leine zu ziehen. Das ist nicht tierschutzkonform. Wenn ihr nicht wollt, dass euer Welpe an der Leine gehen lernt aus Angst vor dem Schmerz am Kehlkopf, wendet solche Techniken bitte nicht an.